Vier Ohren für eine erfolgreiche Lehrausbildung: Warum Zuhören mehr ist als Hören
Das Vier-Ohren-Modell von Schultz von Thun für die Lehrausbildung erklärt.
Kommunikation ist der Dreh- und Angelpunkt jeder Ausbildung.
Das Vier-Ohren-Modell von Friedemann Schulz von Thun hilft Lehrlingen und Ausbilder:innen, Missverständnisse zu vermeiden – und echte Gesprächskompetenz aufzubauen.
Gerade in Lehrlingsseminaren oder Seminaren für Ausbilder ist dieses Modell ein zentrales Werkzeug, um Feedback, Anweisungen und Kritik wirksam zu gestalten.
Warum Kommunikation in der Lehre so entscheidend ist
Ob Werkstatt, Büro oder Verkaufsraum – Kommunikation bestimmt den Alltag jedes Lehrlings.
Doch viele Konflikte entstehen nicht aus bösem Willen, sondern aus unterschiedlichem Hören.
Ein Lehrling hört: „Mach das bitte ordentlich!“
Was meint der Ausbilder?
Eine sachliche Anweisung?
Eine Ermahnung?
Eine persönliche Kritik?
Oder einen Hinweis, weil Termine drängen?
Genau hier setzt das Vier-Ohren-Modell an. Es zeigt, auf welchen vier Ebenen Botschaften gesendet und gehört werden können – und warum gerade in der Lehrausbildung das bewusste Zuhören eine zentrale Rolle spielt.
In Lehrlingstrainings der METASKILLS.academy ist das Modell fester Bestandteil, um Kommunikationskompetenz von Anfang an zu fördern.
Die vier Seiten einer Nachricht – nach Schulz von Thun
Sachinhalt – Was ist die Information?
Die sachliche Ebene enthält die reine Information, die vermittelt wird.
Beispiel: „Die Maschine läuft seit 10 Minuten nicht.“
Selbstoffenbarung – Was sagt die Person über sich selbst?
Jede Nachricht enthält Hinweise darauf, wie sich die sprechende Person fühlt oder was sie beschäftigt.
Beispiel: „Ich bin besorgt, weil sie stillsteht.“
Beziehung – Wie steht die Person zu mir?
Hier zeigt sich, wie die sprechende Person ihr Gegenüber sieht – wertschätzend, kritisch, distanziert oder vertraut.
Beispiel: „Du hättest dich früher kümmern sollen.“
Appell – Was soll ich tun?
Auf dieser Ebene steckt, was die sprechende Person erreichen möchte.
Beispiel: „Repariere sie sofort.“
Gute Kommunikation entsteht, wenn Sender und Empfänger auf derselben Ebene sprechen und hören.
Missverständnisse entstehen, wenn sie auf unterschiedlichen Ebenen unterwegs sind – ein häufiges Thema in Seminaren für Lehrlinge, wo Feedbacksituationen geübt werden.
Ein Beispiel aus der Lehrpraxis
Szene in der Werkstatt:
Ausbilder: „Das hast du heute langsamer gemacht.“
Lehrling A hört mit dem Sach-Ohr: „Er stellt fest, dass ich länger gebraucht habe.“
Lehrling B hört mit dem Beziehungs-Ohr: „Er hält mich für faul.“
Lehrling C hört mit dem Appell-Ohr: „Ich soll mich beeilen.“
Lehrling D hört mit dem Selbstoffenbarungs-Ohr: „Er ist gestresst.“
Vier unterschiedliche Reaktionen – ein Satz.
In unseren Lehrlingsseminaren arbeiten wir mit genau solchen Beispielen: Lehrlinge erleben, wie dieselbe Aussage ganz unterschiedlich ankommt – und wie sie durch gezielte Rückfragen Klarheit schaffen können.
Was Ausbilder:innen daraus lernen können
1. Sendeabsicht prüfen
Bevor du etwas sagst, frage dich: Was will ich gerade wirklich mitteilen?
Information?
Emotion?
Beziehungsklärung?
Aufforderung?
Gerade in Seminaren für Ausbilder trainieren wir diesen bewussten Wechsel der Perspektive – vom spontanen Reagieren hin zum klaren, zielgerichteten Kommunizieren.
2. Meta-Kommunikation nutzen
Sag ruhig dazu, auf welcher Ebene du sprichst.
Beispiel: „Ich sage das jetzt als Hinweis, nicht als Kritik.“
Diese Transparenz schafft Vertrauen und verhindert Abwehrhaltungen – besonders wichtig in der Arbeit mit jungen Lehrlingen.
3. Rückfragen fördern
Lade Lehrlinge ein, nachzufragen, wenn etwas unklar ist.
Formulierungen wie „Wie hast du das gemeint?“ oder „Kannst du mir kurz sagen, was du dir genau wünschst?“ schaffen Sicherheit und Dialog.
4. Perspektivwechsel üben
Im Rahmen eines Lehrlingstrainings oder eines Ausbilderseminars kann das Modell in Rollenspielen geübt werden.
Beispiel:
Satzkarten mit typischen Aussagen („Das haben wir schon besprochen“, „Du bist spät dran“, „Das geht doch einfacher“).
Lehrlinge und Ausbilder:innen identifizieren gemeinsam, welches Ohr aktiv ist und wie man alternativ reagieren könnte.
So entsteht Bewusstsein dafür, dass Kommunikation mehrdimensional ist.
Was Lehrlinge mitnehmen können
Nicht alles ist Kritik.
Wenn der Ausbilder sagt: „Das war nicht sauber gearbeitet“, kann das eine sachliche Rückmeldung sein – kein persönlicher Angriff.Nachfragen statt interpretieren.
„Wie hast du das gemeint?“ ist oft der schnellste Weg, ein Missverständnis zu klären.Eigene Botschaften klar senden.
Auch Lehrlinge können lernen, bewusst zu formulieren:
„Ich bin unsicher, ob das so passt“ (Selbstoffenbarung) oder
„Kannst du mir bitte zeigen, wie du das meinst?“ (Appell).Konflikte früh ansprechen.
Das Modell unterstützt, Kritik oder Ärger sachlich einzuordnen – und nicht sofort emotional zu reagieren.
Praxis-Tipp: Vier-Ohren-Rollenspiel im Lehrlingstraining
In unseren Seminaren für Lehrlinge an der METASKILLS.academy nutzen wir ein kurzes Rollenspiel, um das Modell erlebbar zu machen:
Zwei Lehrlinge spielen eine Alltagssituation (z. B. Werkstatt, Küche, Büro).
Einer sendet eine typische Aussage („Das war aber langsam.“).
Der andere reagiert nacheinander mit vier verschiedenen „Ohren“.
Danach wird reflektiert: Welche Variante war hilfreich? Welche führte zu Konflikt?
Die Übung zeigt eindrucksvoll, wie stark Wahrnehmung und Reaktion voneinander abhängen – und wie leicht Kommunikation im Alltag verbessert werden kann.
Warum das Modell so wertvoll in der Lehrausbildung ist
Die Lehre ist mehr als Wissensvermittlung – sie ist Beziehungsarbeit.
Gerade junge Menschen brauchen Klarheit, Orientierung und das Gefühl, verstanden zu werden.
Das Vier-Ohren-Modell hilft sowohl in Lehrlingsseminaren als auch in Seminaren für Ausbilder, Kommunikation bewusst zu gestalten, Feedback richtig einzuordnen und Konflikte frühzeitig zu entschärfen.
Es ist damit nicht nur ein theoretisches Kommunikationsmodell, sondern ein praxisnahes Werkzeug für Vertrauen, Lernmotivation und Zusammenarbeit – genau das, was ein modernes Lehrlingstraining leisten sollte.
Weiterführende Literatur & Videos
Bücher:
Schulz von Thun, F. (1981): Miteinander reden 1 – Störungen und Klärungen. Rowohlt Verlag.
Schulz von Thun, F. (2008): Miteinander reden 2 – Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung. Rowohlt Verlag.
Schulz von Thun, F. (2011): Miteinander reden 3 – Das „innere Team“ und Situationen der Kommunikation.Rowohlt Verlag.
YouTube-Video: